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Trier . Trèves
Bis tief in die Nacht war das WortDie andere Trierer Domnacht : Johannesevangelium für Menschen mit Ausdauer Sie ist so anders als alle ihre Vorgängerinnen ; verzichtet auf faszinierende Farbenspiele, imposante Orchestermusik und ein Programm, bei dem ein Ereignis das nächste jagt. Die lange Trierer Domnacht am 14. Mai kommt minimalistisch daher – und mutig. Und genau deshalb hat sie ihren besonderen Reiz. Nein, ein beeindruckendes Lichtspektakel gibt es nicht. Wo sonst Figuren, Rosetten und Malerei in sattes Gelb, zartes Rosa oder tiefes Rot getaucht um die Wette „strahlen“, halten sich in dieser „Nacht der Kathedralen“ die kostbaren Schätze der Hohen Domkirche dezent zurück. Lediglich unzählige kleine Kerzen erhellen den Dom mit ihrem flackernden Licht. Nichts soll ablenken von dem Experiment, das neun Sprecherinnen und Sprecher wagen. Ja, es ist ein Experiment. Mehr noch : ein Wagnis. Denn die Arbeitsgemeinschaft „DomNacht“ hat sich vorgenommen, in einer dramatischen Lesung das komplette Johannesevangelium vorzutragen. Wird das tragen ? Werden die Menschen sich vier Stunden lang auf die Worte des Johannes‘ einlassen und sich mit der auf ein Thema fixierten Zuhörer-Rolle zufrieden geben ? Zeit, sich mit diesen Gedanken den Kopf zu zermartern, bleibt nicht. Denn der tiefe Gongschlag, verkündet : Es geht los. Der Auftakt : verheißungsvoll. Das Sprecherteam beginnt mit einer Wörter-Collage. „Wort. War. Im Anfang. Anfang. Das Wort war.“ Aus unendlich vielen Kehlen scheinen die Bestandteile des Satzes zu kommen, in beliebiger Reihenfolge bis hin zum „Im Anfang war das Wort.“ Dass keine Langeweile aufkommt, liegt natürlich zunächst einmal am Stoff selber. „Die sprachliche Form dieses Evangeliums kennt man aus dem Drama“, sagt Prof. Dr. Ludger Schenke, emeritierter Neutestamentler aus Mainz, der das Projekt begleitet hat. Die Bilder des Johannesevangeliums seien große dramatische Szenen, vor allem dramatische Dialoge. Doch das allein ist es nicht, was diese Nacht so kurzweilig macht. Stetige Sprecher-Wechsel sorgen für Dynamik und halten die Spannung. Die Les-Art der neun Sprecherinnen und Sprecher, alles Laien, keine Lese-Profis oder Schauspieler, ist fein und zurückhaltend ; vielleicht ist es gerade das, was die Worte so stark wirken lässt.Selbst beim Schluss-Akkord, kurz nach ein Uhr nachts im Trierer Dom, lesen Sabine Beckmann, Katja Bruch, Judith Rupp, David Bruch, Albert Justen, Rafael Klar, Franz-Josef Kleinbauer, Norbert Thelen und Philipp Thul, noch so eindringlich und konzentriert wie in der ersten Stunde. „Wir haben diese Idee schon seit ein paar Jahren mit uns rumgetragen“, erzählt David Bruch. Jetzt bei der Umsetzung habe man vom Erfahrungsschatz von Prof. Schenke profitieren können. Bruchs Wunsch : „Dass sich etwas Neues eröffnet.“ „Ich fand es anstrengend, aber schön.“ – „Ich hab etwas Anderes erwartet.“ – „Eine wunderbare Nacht.“ – „Das war sicher nicht für Jeden etwas, aber für mich.“ Die Reaktionen sind weit nach Mitternacht ganz unterschiedlicher Natur. Eine bleibt besonders haften. Besser, als die blinde Frau, die extra aus St. Wendel angereist ist, kann man das Besondere dieser Domnacht nicht zum Ausdruck bringen. Sie bedankt sich frohen Herzens bei Hans-Werner Tonner, im Bistum Trier zuständig für Events und Veranstaltungen, für dieses einmalige Erlebnis und strahlt übers ganze Gesicht :„Es war so toll. Ich konnte es gut mitverfolgen. Die Worte werden mich noch lange begleiten.“ |